Die Leistung der Philosophie

Geschriebenes

«Und es scheint dir […] nicht unverschämt, daß wir, die wir nicht wissen, was Erkenntnis ist», bringt Sokrates in Platons Theaitetos (ca. 370 v. Chr.) skeptisch zur Sprache, «dennoch zeigen wollen, worin das Wissen besteht?» In mä­eu­tischer Manier stellt er so in Dialogen mit dem Mathematiker Theodoros und dessen Schüler Theaitetos ihr Verständnis von Erkenntnis und Wissen auf die Probe.

Wie es sich aber – ohne allzu große Überraschung! – herausstellt, ist es nicht ganz unproblematisch, sich einer bzw. der Wahrheit anzunähern. Umso gespannter sind deshalb alle Anwesenden, als Sokrates am Ende der Unterredung endlich den Vorhang zu lüften und die Definition von Wissen preiszugeben scheint:

Gedenkst du nun, Theaitetos, nach diesem wiederum mit anderem schwanger zu werden, so wirst du, wenn du es wirst, dann Besseres bei dir tragen vermöge der gegenwärtigen Prüfung, – wenn du aber leer bleibst, denen, welche dich umgeben, weniger beschwerlich sein und sanftmütiger, und besonnenerweise nicht glauben zu wissen, was du nicht weißt. Denn nur so viel vermag diese meine Kunst, mehr aber nicht, noch verstehe ich so etwas wie die andern großen und bewunderten Männer von jetzt und ehedem. […]

Besonnen sein – klar. Unterscheiden können, was man versteht und was man nicht versteht – sicherlich.

Der Seufzer der Zuhörer*innen ist im Werk zwar nicht abgedruckt, aber man kann sich die Einsicht und die gleichzeitige Enttäuschung des Publikums über den Standpunkt Sokrates’ lebhaft vorstellen. Doch selbst wenn diese Antwort ziemlich sicher niemand hören wollte, glaube ich, dass sich jede und jeder bewusst war, dass sie nichts anderes hören sollten.


Bild: Philosopher (1862) aus der Gazette Des Beaux-Arts – Quelle.


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