Schenken und wünschen

Geschriebenes

Als Kind machte mich nichts nervöser als Dekogeschenke unter künstlichen Weihnachtsbäumen, wie sie zur Adventszeit in Einkaufszentren oder Bahnhofshallen stehen. Natürlich wusste ich, dass da nichts drin war, nichts drin sein konnte, nein, denn wenn etwas drin wäre, hätte es längst jemand ausgepackt, aber wenn es niemand getan hat, sollte man nicht sicherheitshalber nachschauen, ob da auch wirklich nichts ist, von dem alle wissen, das es nicht da ist?

Christoph Niemanns süßes Bilderbuch Ich wünsche mir (2021) hat mich daran erinnert, wie diese undurchsichtige Hülle des Geschenkpapiers den ganzen Reiz der Sache ausmacht. Sich nicht ganz sicher zu sein, lädt dazu ein, über die Beziehung zur schenkenden Person nachzudenken, seine Wünsche und Begierden zu spüren und die eigene Vorstellungskraft zu befeuern. Geschenke sind reinstes Potential.

Ein Geschenk kann jedoch nur so lange alles sein, bis man es auspackt. Deshalb ist das beste Geschenk vielleicht jenes, das leider nicht rechtzeitig angekommen ist.

PS: Ansonsten macht sich Niemanns Büchlein bestimmt gut unter dem Weihnachtsbaum.


Bild: Ausschnitt aus Vintage Christmas (1891) von Frank Buttolph – Quelle.


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