Mittelpunkt: Erde
Geschriebenes
Die kopernikanische Wende hat die Wahrnehmung der Stellung des Menschen im Universum auf den Kopf gestellt. Allerdings hat die Feststellung, dass nicht die Erde im Zentrum unseres Sonnensystems steht (wie auch alle darauffolgenden astronomischen und kosmologischen Erkenntnisse) auch 500 Jahre später keine wirklichen lebensweltlichen Konsequenzen nach sich gezogen. Im Gegenteil: Die kürzlich geführten Diskussionen zu den technologischen und logistischen Voraussetzungen einer Besiedlung des Planeten Mars haben eher gezeigt, dass eine Expansion unseres Handlungsraums in naher Zukunft eher unwahrscheinlich scheint. Vielmehr haben die Überlegungen unseren Lebensmittelpunkt vor Augen geführt und deutlich gemacht, dass – wenn uns mittelfristig schon nichts anderes als die Erde übrig bleibt – wir uns endlich wieder unserem Schicksalsgestrin widmen sollten.
«Wir sind an unseren lebensweltlich inzwischen dramatisch geschrumpften heimischen Planeten allein schon kraft sozial definitiv nutzungsunfähig langer Reisezeiten zum nächsten objektiv vielleicht kolonisierbaren Exoplaneten zurückgebunden. […] [D]ie Erde gewinnt damit neu, lebensweltlich und banalerweise nicht kosmologisch, eine unausweichliche Mittelpunktstellung zurück.»
Hermann Lübbe, Poetik und Hermeneutik – von „Krise der Geisteswissenschaften“ keine Spur!. In: Petra
Boden, Rüdiger Zill (Hrsgg.), Poetik und Hermeneutik im Rückblick. Interviews mit Beteiligten, Paderborn: Wilhelm Fink 2017, S. 157 – 182, hier S. 168.
Bild: Ausschnitt aus «Diagram no.5» aus Solar Biology von Hiram Erastus Butler (1841–1916) – Quelle.