Aus Bildern zitieren – Gedanken zu einem alternativen Umgang mit Bildmaterial
Geschriebenes
Ein Zitat ist ein Teil von etwas Größerem, der aus seinem ursprünglichen Kontext herausgelöst wird. Die Stelle kann so am Verwendungsort ihre Herkunft zitieren (lat. citāre (citātum) ‘in Bewegung setzen, vorladen, herbei-, an-, aufrufen’). Zusätzlich kann ein Zitat an Bedeutung gewinnen, die über den eigentlichen Sinn hinausgeht, indem sie mit ihrer neuen Umgebung in einen Austausch tritt.
Das Zitieren von Textstellen ist naheliegend, weil die inhaltlichen und formalen Teile eines Textes sukzessiv angeordnet sind. Ganz plakativ bedeutet das, dass während der Lektüre eine Sinneinheit nach der anderen wahrgenommen wird: Man liest den Text nicht aufs Mal, sondern Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort und Satz für Satz. Die einzelnen Textbausteine sind jeweils mit bestimmten Vorstellungen verknüpft, die in ihrer Summe die Aussage des Textes kommunizieren. Will man den Fokus auf eine bestimmte Vorstellung legen, kann man ganz leicht den entsprechenden Baustein aus dem Text herausgreifen bzw. zitieren.
Wir alle zitieren – aus Notwendigkeit, aus Neigung und aus Vergnügen.
Zitat von Ralph Waldo Emerson (1803 – 1882) aus Letters and Social Aims von 1876.
Bilder werden hingegen ganz anders wahrgenommen: nicht wie bei einem Text von links nach rechts und von oben nach unten an, sondern irgendwie Vieles durch- und miteinander. Diese Simultaneität der Betrachtung eines Bildes bedingt, dass man bei der Inspektion eines einzelnen Teils – sei es ein Detail, eine Farbe oder ein Pinselstrich – den Kontext nicht ausblenden kann. Eine Stelle aus einem Bild zu zitieren, scheint deshalb – alleine schon aus technischer Sicht – nicht ganz unproblematisch.
In der Arbeit an Denkbrocken sehe ich mich seit Beginn mit der Herausforderung konfrontiert, meine geschriebenen Texte (die übrigens mit direkten und indirekten Zitaten gespickt sind) mit Bildern ausschmücken zu wollen. Weil mir aber die Ressourcen und Fähigkeiten fehlen, um eigenes Bildmaterial herzustellen, muss ich jeweils auf vorhandene Illustrationen zurückgreifen. Das Problem dabei ist, dass die bestehenden Bilder oft nicht exakt das ausdrücken, was ich mir als Begleitung für die formulierten Gedanken wünsche.
Deshalb habe ich ganz natürlich – und ohne darüber nachzudenken – vor einer Weile angefangen, aus Bildern zu zitieren: ich schneide Details aus, stelle Formen frei, übermale Beschriftungen, blende Figuren aus und hebe Linien hervor. Die Bildstellen, die ihren Weg auf meine Webseite finden, sind somit eigentlich unvollständig, zeigen eine unprominente Perspektive und tragen dennoch (und vielleicht umso mehr) zur Sinnkonstitution bei. Zitate eben.
Ähnlich zu ihrem schriftlichen Pedant können Zitate aus Bildern in neuen Kontexten ihre ursprüngliche Bedeutung reflektieren und auf kreative Weise weiterentwickeln. Auch wenn auf der Bildseite der Aspekt der Aneignung wohl etwas schwerer wiegt als die Redlichkeit. Aber auch hier lässt sich ja vielleicht noch ein adäquater Umgang finden. Bildzitate stecken ja immer noch in ihren Kinderschuhen 🙂
Zum Abschluss einige Zitate der letzten Monate:












GIF: Zitation aus The Golden Age (1605) von Joachim Wtewael, Original vom The MET Museum – Quelle.