Drei Dinge, die wir von Isaac Newton (1643-1727) lernen können

Geschriebenes

«Mit Newton kann sich diese Insel brüsten,» schreibt David Hume (1711-1776) in The History of England, «das größte und seltenste Genie hervorgebracht zu haben, das je zur Zierde und Belehrung unserer Gattung auf die Welt gekommen ist.» Was bewegte einen der grössten Denker unserer Geschichte, seinem englischen Zeitgenossen dieses nicht weniger als superlative Lob auszusprechen?

Isaac Newton (1643-1727) wurde als Autor der Philosophiae Naturalis Principia Mathematica (1687) zum Urvater und Vorbild der Naturwissenschaft. In seinem Gravitationsgesetz führte er Keplers Gesetze für die Bewegung der Planeten und Galileis Fallgesetze zusammen. Er begründete die klassische Mechanik und schaffte die Grundlage für eine einheitliche Beschreibung und Erklärung der Bewegung von Körpern auf der Erde, der Bewegung des Mondes um die Erde und der Planeten um die Sonne.

Kein Wunder schwärmt David Hume in seinen Werken immer wieder von Newton. Interessanterweise sind es aber nicht vorrangig die mathematischen und physikalischen Erkenntnisse, die der Philosoph lobt, sondern Newtons Denk- und Arbeitsweise, seine Einstellung und Perspektive als Wissenschaftler. Drei markante Eigenschaften tauchen immer wieder auf, die Hume mit Newtons wissenschaftlichen Erfolgen in Verbindung bringt:

1. Unvoreingenommenheit

Ob wahrscheinlich oder nicht, ob erklärbar oder nicht – die Natur fügt sich nicht unserer Rationalität. Die Natur ist. Alles, was die Wissenschaft tun kann, ist Vermutungen über die Natur aufzustellen und diese zu testen. Ob diese Hypothesen vernünftig klingen, sagt weniger über die Natur aus als über den menschlichen Verstand:

«Er war vorsichtig, insofern er ausschließlich erfahrungswissenschaftlich fundierte Prinzipien gelten ließ, aber beherzt genug, jedes auf diese Weise abgesicherte Prinzip zu übernehmen – einerlei, wie neuartig oder unüblich es sein mochte. So verhielt er sich aus Bescheidenheit, ohne sich seiner Überlegenheit gegenüber den anderen Menschen bewusst zu sein, weshalb er auch nicht sonderlich darauf achtete, seine Gedankengänge den üblichen Auffassungen anzupassen.»

2. Ganzheitlichkeit

Nichts geschieht in Isolation. Jedes Ereignis hat möglicherweise eine Ursache und eine Wirkung. Jede Begebenheit ist vielleicht kein Einzelfall, sondern ein Muster. Newton verlor nie die Verbindung zwischen dem Einzelnen, dem Anderen und Allgemeinen:

«Es ist durchaus den Regeln der Philosophie und sogar der allgemeinen Vernunft angemessen; Wenn in einem Fall festgestellt wurde, dass ein Prinzip eine große Kraft und Energie ausübt, kann man in allen ähnlichen Fällen eine ähnliche Energie vermuten. Dies ist in der Tat Newtons Hauptregel des Philosophierens.»

2. Selbstkritik

Es gibt womöglich keine letzten Ursachen. «Die vollkommenste Philosophie der Natur schiebt nur unsere Unwissenheit ein Wenig weiter zurück, und ebenso dient vielleicht die vollkommenste Metaphysik und Moralphilosophie nur dazu, größere Stücke von unserer Unwissenheit bloß zu legen,» schreibt Hume in Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand. Auch Newton hatte nicht den Anspruch, das Universum und seine grundlegenden Gesetze zu verstehen. Er war Wissenschaftler. Und Wissenschaft hat seine Grenzen:

«Während Newton den Schleier von einigen Geheimnissen der Natur zu lüften schien, machte er andererseits die Mängel der mechanistischen Theorie deutlich, wodurch er die letzten Rätsel der Natur ebenjener Dunkelheit wieder zuführte, in der sie seit eh und je heimisch sind und auf immer bleiben werden.»

Bild: William Blake's Newton von 1795
William Blake’s Newton von 1795 (Quelle)

Zitate im Original:

„In Newton this island may boast of having produced the greatest and rarest genius that ever arose for the onrament and instruction of the species.“ (The History of England VI, 542)

„Cautious in admitting no principles but such as were founded on experiment; but resolute to adopt every such principle, however new or unusual: From modesty, ignorant of his superiority above the rest of mankind; and thence less careful to accommodate his reasonings to common apprehensions.“ (ibid.)

«It is entirely agreeable to the rules of philosophy, and even of common reason; where any principle has been found to have a great force and energy in one instance, to ascribe to it a like energy in all similar instances. This indeed is newton’s chief rule of philosophizing.» (An Enquiry Concerning the Principles of Morals)

«The most perfect philosophy of the natural kind only staves off our ignorance a little longer: As perhaps the most perfect philosophy of the moral or metaphysical kind serves only to discover larger portions of it.» (Enquiry concerning Human Understanding I. 4. i)

„While Newton seemed to draw off the veil from some of the mysteries of nature, he shewed at the same time the imperfections of the mechanical philosophy; and thereby restored her ultimate secrets to that obscurity, in which they ever did and ever will remain.“ (The History of England VI, 542)


WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner