Und schließlich der Titel

Geschriebenes

Man denkt und sammelt, ergänzt und streicht; man strukturiert, gibt Form und Farbe, strählt und poliert und dann, wenn all dies und mehr getan ist, dann setzt man ihn oben drauf.

Er gibt dem Ganzen nicht nur ein Gesicht, sondern auch Hand und Fuß. Er setzt einen Anfangs-, einen Schluss- und Anknüpfungspunkt für die und alle möglichen Geschichten, von denen er erzählen kann. Er hebt Augenbrauen, lenkt die Aufmerksamkeit, bestimmt die Perspektive, erinnert, deutet an und zaubert (im besten Fall) ein Schmunzeln auf die Lippen.

Das ist der Titel. Oder das sollte der Titel sein? Nur – und hier spreche ich vielleicht nicht nur für mich – ist er in den meisten Fällen etwas ganz anderes.

Er ist in vielen Fällen nicht Titel, weil er Titel sein kann, sondern sein muss. Der Titel entsteht oft nicht erst am Ende, sondern schon ganz zu Beginn. Er ist manchmal ein taktisches Frage- oder Ausrufezeichen, eine intellektuelle Lupe und ein konzeptueller Rahmen, doch teils nicht mehr als ein blödes Werkzeug oder ein stummer Hilfeschrei. Und er ist selten eine geniale Geste, sondern das, was übrig blieb.

Doch was auch immer da oben steht, es steht etwas da. Ganz egal, worauf es zeigt und wovon es spricht, es zeigt und spricht. Er ist eine Andockstelle für mehr oder weniger, aber es ist immerhin eine Andockstelle. Und das ist schließlich, was ein Titel ausmacht: ein Titel zu sein.


Bild: Mallard, the head under water (1900 – 1930) von Ohara Koson – Quelle.


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