Amor fati – Friedrich Nietzsche und die Liebe zum Schicksal

Geschriebenes

«Sei nicht voreilig, trage deine Bürde, laß sie dir zum Guten dienen», schreibt der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel (121-180) in Selbstbetrachtungen, «entlehne ihr, was für dein vernünftiges Leben notwendig ist, wie der Magen der Speise alles Nötige entlehnt, oder wie das Feuer, welches heller auflodert, wenn man etwas hineinwirft.»

Die Vergangenheit ist unveränderlich und die Zukunft unvorhersehbar. Dessen sind wir uns eigentlich bewusst. Und trotzdem verbringen wir unsere Zeit damit, das Geschehene drehen und wenden zu wollen und das künftige Geschehen zu prophezeien und auszumalen.

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Der Geisteszustand, den Marc Aurel als loderndes Feuer beschreibt, ist eine Möglichkeit, trotz der Unberechenbarkeit der Zukunft und der Unveränderlichkeit der Vergangenheit ein gutes Leben führen zu können. Friedrich Nietzsche (1844-1900) hat in seinen Schriften dieser Idee einen Namen gegeben. Er nennt es amor fati – die Liebe zum Schicksal. In Die fröhliche Wissenschaft schreibt Nietzsche:

«Ich will immer mehr lernen, das Nothwendige an den Dingen als das Schöne sehen: — so werde ich Einer von Denen sein, welche die Dinge schön machen. Amor fati: das sei von nun an meine Liebe! Ich will keinen Krieg gegen das Hässliche führen. Ich will nicht anklagen, ich will nicht einmal die Ankläger anklagen. Wegsehen sei meine einzige Verneinung! Und, Alles in Allem und Grossen: ich will irgendwann einmal nur noch ein Ja-sagender sein!»

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Wenn ein Feuer stark genug brennt, dann spielt es keine Rolle, was in die Flammen geworfen wird. Es toleriert nicht nur unterschiedliches Brennmaterial, sondern erstrahlt durch eben diese Vielfalt nur noch heller. Im autobiografischen Werk Ecce Homo fasst Nietzsche sein Konzept zusammen:

«Meine Formel für die Grösse am Menschen ist amor fati: dass man Nichts anders haben will, vorwärts nicht, rückwärts nicht, in alle Ewigkeit nicht. Das Nothwendige nicht bloss ertragen, noch weniger verhehlen – aller Idealismus ist Verlogenheit vor dem Nothwendigen –, sondern es lieben.»

Amor fati ist der kugelsichere Panzer, der Zweifel, Bedauern und Selbstkritik abprallen lässt und uns für die Reise ins Ungewisse mit Zuversicht und Selbstvertrauen ausstattet.

«Zuerst das Nöthige – und dies so schön und vollkommen als du kannst! ‚Liebe das, was nothwendig ist’ – amor fati dies wäre meine Moral, thue ihm alles Gute an und hebe es über seine schreckliche Herkunft hinauf zu dir.»

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Trotz des radikalen Akzeptanzgedankens soll sich nach Nietzsche der Mensch keinesfalls in einer fatalistischen Passivität verkriechen, sondern an Lösungen arbeiten und sich selbst verwirklichen. Das Ziel sei es, die «Unlust der Abhängigkeit, der Ohnmacht» abzulegen und zu handeln. «Wollen befreit: das ist die wahre Lehre von Wille und Freiheit», schreibt Nietzsche.

Was auch kam oder kommen mag – wir sollten es lieben und daran wachsen. Denn es kann und wird nicht anders sein.

Es gibt nur das Hier und Jetzt.

Amor fati.



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