«Wauwau» – Peter Bichsel über Kommunikation ohne Inhalt

Geschriebenes

Etwas reden – nur was?

Etwas mitteilen – nur wie?

Etwas fragen – nur wann?

Kommunikation funktioniert nur zusammen mit dem Wörtchen «etwas». Kommunizieren ohne etwas zu kommunizieren, dazu sind wir leider nicht fähig. Es braucht Intentionalität und Inhalt, wie Peter Bichsel in einem Interview mit Hans Ulrich Obrist humorvoll illustriert:

Ein Hund hat es gut. Dem steht nach unserem schlechten Gehör ein einziger Laut für alles zur Verfügung – «Wauwau». Derselbe Laut, wenn er leidet, wenn er Angst hat, wenn er Hunger hat, wenn er begeistert ist – immer «Wauwau». Er «gibt Laut», sagt man. Menschen sind auch dauernd in der Situation, Laut geben zu wollen. Nur Laut geben. Nur mit jemandem reden, das könnte schon helfen, wenn es mir schlecht geht. Aber was soll ich reden? Das Problem des jungen Mannes, der am nächsten Freitag zum ersten Mal mit der Freundin spazieren geht und sich die ganze Woche überlegt, was er dann sagen soll, dieses Problem hat der Hund nicht. Der Hund würde einfach Laut geben. Der junge Mann will ja auch nichts anderes als Laut geben, aber er muss zum Laut Wörter, Inhalte, ganze Geschichten suchen. Das bleibt das Problem.

Das bleibt das Problem. Nur lohnt es sich vielleicht, manchmal diesem Drang, «Laut geben» zu wollen, zu widerstehen. Denn das Bellen eines Hundes nervt oftmals.


Quellen:
Text aus Interview mit Hans Ulrich Obrist für Das Magazin, 2018.
Illustration von Julie de Graag (1877-1924) via Rawpixel.


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