Schreiben schreiben

Geschriebenes

Man solle sich voll und ganz der Gegenwart hingeben. Das Ziel liege darin, alle Gedanken und den Alltag und und die unbezahlten Rechnungen zu vergessen, so heißt es. Die Gärtnerin sei die Schaufel und das Samenkorn; der Jongleur die Körperhaltung und die physikalischen Gesetze des Leders in der Luft. Es soll die Tiefenstruktur des eigenen Seins durchdringen, bis – wie Thich Nhat Hanh in Das Wunder der Achtsamkeit darlegt – nur noch eine Lebensweise in Frage komme:

Es gibt zwei Arten, Geschirr zu spülen. Einmal, damit man hinterher sauberes Geschirr hat, und die zweite Art besteht darin, abzuwaschen, um abzuwaschen.

Beim Schreiben ist jedoch diese bewusste Unmittelbarkeit des Tuns nur bedingt haltbar. Denn sowie ich es kennengelernt habe, liegt der Witz der Praxis darin, über etwas zu schreiben: Die Aufmerksamkeit liegt bei einer Beobachtung, einer Erinnerung, einem Gegenstand, einer Geschichte.

So etwas wie ein achtsames Schreiben kann vielleicht höchstens im Schreiben über das Schreiben erlebbar gemacht werden. Denn sobald sich die Finger bewegen (und der Geist nicht die reflexive Schlaufe zurück zur Bewegung der Finger vollführt) geht das Schreiben über das Schreiben an sich hinaus.

Nur noch übers Schreiben zu Schreiben ist leider auch keine Lösung. Denn das will – bis auf jene, die selber schreiben – niemand lesen.


Bild: Head of a woman with a handkerchief in front of her face (1894) von Julie de Graag – Quelle.


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