Über ‘Hundebisse’ oder weshalb man aufpassen sollte, welche Wörter man in den Mund nimmt

Geschriebenes

Heute möchte die kleine Geschichte erzählen, wie ich letzte Woche einem Hund begegnet bin. Nur ist “begegnet” vermutlich nicht das richtige Wort. Aber dafür muss ich etwas ausholen.

Es war ein großer Hund mit kurzem, dunkelbraunem Fell, ein Schäfer, wie ich mittlerweile erfahren habe. Die schwarzumrandeten, spitzen Ohren auf Hüfthöhe. Ein schönes Tier, durchaus. Er hatte einen wachen Blick, der, als ich näher kam, eine Note strenger wurde. Im nächsten Schritt stimmte der Hund in ein tiefes Knurren an. Einen Tritt weiter, wildes Gebell.

Weil Bellen für mich ein wohl oder über unveränderliches Feature des Hund-Seins darstellt, zuckte ich innerlich mit den Schultern und setzte meinen Weg in einem leichten Bogen um das Tier fort. Plötzlich aber, und da ging auf einmal alles ganz schnell, sprang der Hund auf mich zu und biss mich in die Jeans am Oberschenkel, eine Handbreit über meinem rechten Knie.

Die Besitzerin (oder Herrin oder Mutter – was sagt man da?) des Schäfers reagierte sofort, packte den Hund am Halsband und drückte ihn zu Boden. Ich blieb perplex stehen, schaute dumm auf den Boden und kam dann erst langsam zur Gesinnung. Ich griff mir ans Bein.

Ob alles in Ordnung sei, fragte mich die Frau. «Ja, soweit alles in Ordnung sein kann, ist alles in Ordnung», brachte ich nach einer Weile aus meiner Starre heraus. «Der Hund hat mich einfach gerade gebissen.» «Nein, nein», kam von ihr zurück, «gebissen hat er nicht.»

«Nun, soweit ich mich an die Szene erinnern kann», dachte ich lautlos nach, «hat der Hund sein Maul geöffnet, das Gebiss um meine Extremität gelegt und die Kiefermuskeln angespannt. Wie soll man diesen Akt bezeichnen? Hat er mich ins Bein ‘gespielt’, wie man in einer Hundesprache ausdrücken könnte?» Ich atmete durch und versuchte die Fomulierung: «Gut, vielleicht hat er mich nicht ‘gebissen’, aber er hat nach mir geschnappt». «Ja», sie drehte sich zu mir, «vielleicht hat er etwas nach dir geschnappt.»

Das ist absurd.

Ich will damit nicht sagen, dass ich dem Schäfer nicht zutraue, dass mir, falls er mich wirklich «gebissen» hätte, ein Stück Fleisch fehlen würde. Ich will auch nicht darauf hinaus, dass mein Kommentar nicht als Angriff auf die gute Natur des Tiers oder die aufwendige Erziehung interpretiert werden könnte. Und es liegt mir auch nicht nahe, abzusprechen, dass ich mich selbst kaum schützend vor meinen eigenen Hund gestellt und ihn bis und mit den Zähnen verteidigt hätte. Ich will nur festhalten, dass es mit dieser Haltung gar nicht so einfach ist, miteinander zu sprechen, geschweige denn sich zu einigen, was unter einem ‘Biss’ verstanden werden soll.

Der blaue Fleck, der sich über meinen ganzen Oberschenkel zieht, zeugt davon, dass der Hund ohne Zweifel mein Bein im Mund hatte. Im Umgang mit Menschen ist es hingegen nicht ganz so eindeutig, wer wann was in den Mund nimmt. Deshalb ist es wohl schlau, die Leine etwas enger zu nehmen.


Bild: Ausschnitt aus dem japanischen Holzschnitt “Dog and snail” von der Serie Momoyogusa–Flowers of a Hundred Generations (1909) von Kamisaka Sekka – Quelle.



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