«Etwas stimmt da nicht…»
GeschriebenesDas dachte ich, als ich den ersten Schritt in die Op-Art-Ausstellung im mumok in Wien machte. Das heisst, ich dachte es nicht wirklich. Es war ein undefinierbares Gefühl. Es war eher ein Schauer der Falschheit, der sich in meinen Gliedmassen ausbreitete.
Als ich den Ausstellungskatalog studierte, bestätigte der Grundriss des Raumes mein amorphes Gefühl: Die Exponate hingen an deckenhohen Ausstellungswänden. Die temporären Wände – zueinander parallel stehend – waren in ihrer Ausrichtung in einem leicht verschobenen Winkel zu den Tragwänden des Raumes aufgestellt worden. So leicht, dass es einem nicht gleich ins Auge fällt, aber so stark, dass man es unterschwellig wahrnimmt und nicht mehr loslassen kann.

Genau diese menschliche Wahrnehmung in ihrer ganzen Eigenart, Subjektivität, Illusionskraft, Dynamik und Fehlbarkeit ist der Untersuchungsgegenstand der Op-Art, einer Kunstrichtung aus den 50er und 60er Jahren. Die Aufgabe der Komposition, der Linien, Flächen, Formen und der dreidimensionalen Elemente der Werke ist es, nicht sich selbst, sondern ihren Betrachter zu reflektieren.
Allerdings hätte ich weder Genaueres über diese Kunstrichtung nachgelesen, noch hätten mich die Kunstwerke ähnlich berührt, noch würde ich heute darüber schreiben, wenn nicht die Raumgestaltung etwas mit mir gemacht hätte, als ich die Ausstellung betrat. Diese winzige Irritation, das zarte Zerbrechen meiner Erwartung an einen symmetrischen, rechtwinkligen Raum hat mich neu fokussiert, das genaue Hinschauen ermöglicht und mich daran erinnert, was ein Museum sein und leisten kann: In situ ein Umfeld zu gestalten, das die Erfahrung des Besuchers unterstützt, dessen Perspektive hinterfragt und die Augen öffnet. Dazu braucht es weder die teuersten oder schönsten noch die bekanntesten Werke der Kunstgeschichte. Es reichen bereits einige schräge Wände, um eine fruchtbare Diskussion zu starten.
«Das Museum muss als eine Institution für die Verhinderung von Blindheit funktionieren, damit Werke Wirkung haben […] Werke haben Wirkung, wenn sie an […] der Schaffung oder Neuschaffung unserer Welten Anteil haben, indem sie das neugierige Schauen fördern, die Wahrnehmung schärfen und die visuelle Intelligenz erhöhen.«
Nelson Goodman (1980)
Bild: Grundriss der Ebene 0 aus dem Begleitheft zur Ausstellung Vertigo im mumok Wien. Die Ausstellung ist geöffnet vom 25. Mai bis 26. Oktober 2019. Das Bild wurde kopiert und digital bearbeitet. Die Rechte gehören dem mumok.