Langzeitbelichtung

Geschriebenes

Der britische Künstler Jason Shulman hat für sein Projekt Photographs of Films gesamte Filmstreifen durch ultralange Belichtungszeiten zu einer einzigen Fotografie verdichtet. Übrig bleibt die Stimmung, die Farbigkeit, das Statische, die Essenz.

Diese Art eines Gesamteindrucks wirkt einerseits erstaunlich, weil wir im verschwommenen Gemisch doch irgendwie seinen Ursprung und den transportierten Inhalt ausmachen können. Andererseits erscheint es eigenartig, weil unsere eigene Erinnerung auf eine entgegengesetzte Weise funktioniert.

Eine Langzeitbelichtung ist allgemein: Sie nimmt alles, was vor die Linse kommt, auf und lässt es in die Gesamtkomposition einfliessen. Eine Langezeitbelichtung ist objektiv und wertet nicht. Was länger auftaucht, das hat schliesslich eine grössere Präsenz.

Unsere Erinnerung ist hingegen spezifisch: Wir erinnern uns an Highlights und Low points. Wir behalten das Besondere und Konkrete. Wir merken uns Figuren, Zitate, Handlungen und Konfrontationen. In unserem Gedächtnis wird kein demokratisches Konglomerat des Ganzen abgespeichert. Wir selektionieren und subjektivieren.


Aus urheberrechtlichen Gründen konnte ich kein Kunstwerk von Jason Shulman verwenden. Das Bild ist ein Zusammensetzung aus (1) einer Doppelbelichtung von Jan Matulka, ca. 1920 und (2) einer Langzeitbelichtung an der Notre Dame Street in Montreal von 1911. (Via PDR)


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