Dostojewski und der einsame Rest des Gedankens| Literaturbrocken #8
Geschriebenes
Es kann geformt, in Worte verpackt, in Bildern dargestellt, in Bewegungen artikuliert werden. Mal ausführlicher, mal sachlicher, mal metaphorischer oder bunter. Man kann es einmal tun. Oder immer wieder. Doch es bleibt ein Versuch.
Sind die Möglichkeiten und Werkzeuge der Kommunikation dazu in der Lage, die eigenen Gedanken, Ideen, Wünsche und das eigene Leben mit der Aussenwelt zu teilen? Kann das, was da drin passiert, jemals ganz nach außen dringen? Der Erzähler in Dostojewskis Der Idiot (1868) zweifelt daran. (Und ich ehrlich gesagt auch.)
Aber ich möchte doch hinzufügen, daß bei jedem genialen oder neuen menschlichen Gedanken oder einfach sogar bei jedem ernsten menschlichen Gedanken, der in irgendeinem Kopf entsteht, immer ein Rest übrigbleibt, den man andern Menschen nicht mitteilen kann, und wenn man ganze Bände vollschriebe und seinen Gedanken fünfunddreißig Jahre lang kommentierte; es bleibt immer ein Rest übrig, der nicht aus dem Schädel des Urhebers herausgehen will und ewig darinbleibt; und so stirbt man denn, ohne jemandem vielleicht gerade den Kernpunkt seines Gedankens mitgeteilt zu haben. (S. 400)
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Bild: Vignette: Amaryllis (ca. 1908–1909) von Edvard Munch – Quelle.
Literatur: Dostojewski, Fjodor: Der Idiot: Roman. München 2006.